Mobilitäten 2018
1. Mobilität: Libanon
Vom 07.-13. April 2018 fand der erste Länderbesuch im Libanon statt. Die von der libanesischen Projektgruppe organisierte Mobilität stand unter dem Motto “Borders and bridges between states, cultures and religions”. Geschichte sowie gesellschaftliche und politische Situation des Landes (einschließlich postkolonialer Wirkmächte, palästinensische Flüchtlingsbevölkerung, Bürgerkriegstrauma und interkonfessionell institutionalisierter Machtbalance) bildeten den Hintergrund vor dem die aktuelle Flüchtlingssituation (v.a. Syrer) und ihre Einflüsse auf den Libanon als Transitland untersucht wurden. Themen wie Inklusion, Exklusion und Illegalität im Flüchtlingskontext wurden bei Workshops, Institutionenbesuchen und Begegnungsforen diskutiert. Das 20-köpfige Projektteam erhielt so einen umfassenden Einblick in die libanesische Flüchtlingssituation und die Arbeit der Regierungs-, internationalen und zivilgesellschaftlichen Organisationen in den Bereichen Migrationsmanagement, humanitäre Hilfe und gesellschaftlichen Integration in einem von Diversität geprägten Land.
Die Projektgruppe besuchte unter anderem die Bildungsorganisation „Al Ihssan“ und die NGO „Relief and Reconciliation for Syria“ im Norden des Landes und in Beirut das palästinensische Flüchtlingscamp Chatila, die Hilfsorganisation Union of Relief and Development Associations (URDA)“ sowie zwei Fakultäten der Lebanese University. Darüber hinaus hatte die Projektgruppe bei verschiedenen Begegnungforen die Gelegenheit, sich mit zahlreichen Sozialarbeiter/innen sowie Vertreterinnen von UNRWA, dem Ministerium für Soziales und des libanesischen Social Work Syndicate auszutauschen. Mit den Besuchen bei der Institution für interreligiösen Dialog „Adyan“ sowie die zivilgesellschaftliche Organisation „Permanent Peace Movement“ widmete sich die Gruppe auch dem Thema „Religion as source for conflict and peace“. Das Projektteam setzte sich mit der geschichtlichen Vergangenheit des Libanons, dem verheerenden Bürgerkrieg von 1975 bis 1990 und dem angespannten Verhältnis zwischen den Religionsgemeinschaften, auseinander und erhielt einen Einblick wie die libanesische Gesellschaft nun versucht mit Diversität und Differenz umzugehen und ein friedliches Miteinander aller Bevölkerungsgruppen zu fördern.
2. Mobilität: Deutschland
Im Rahmen der zweiten Mobilität hat die FHWS die Projektteams aus dem Libanon und Jordanien während der Internationalen Woche vom 03.-09. Juni 2018 in Würzburg und Schweinfurt begrüßt. Die Projektgruppe hat sich mit der Aufnahme und Integration von Geflüchteten und Migrant/innen im deutschen Kontext beschäftigt. Dazu wurden relevante Institutionen wie die Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber/innen in Schweinfurt und die Gemeinschaftsunterkunft in Geldersheim sowie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg besucht sowie theoretischer Input zur Migrationssituation in Deutschland gegeben. Die Projektgruppe lernte aber auch lokale Integrationsinitiativen und -projekte von verschiedenen Organisationen kennen: Die zweite Bürgermeisterin der Stadt Schweinfurt Sorya Lippert stellte das städtische sowie ihr persönliches Engagement im Bereich Integration vor, die FHWS berichtete von ihren DAAD-geförderten Projekten "Integra" und "Welcome", mit denen die Integration von Geflüchteten in das (Hochschul)Bildungssystem gefördert wird und die Geselschhaft zur beruflichen Förderung (GbF) präsentierte ihre Maßnahmen zur Arbeitsmarktintegration für Migrant/innen und Flüchtlinge. Der Besuch einer Wohngruppe für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) der Diakonie in Würzburg, veranschaulichte der internationalen Gruppe welche Stationen des deutschen Asyl- und Integrationssystems UMF durchlaufen und was die Soziale Arbeit bei der Begleitung der Jugendlichen leisten kann und sollte.
Da die Mobilität während der Internationalen Woche der FHWS stattfand, hatten die Professorinnen der jordanischen und libanesischen Partneruniversitäten die Gelegenheit, die Auswirkungen der syrischen Flüchtlingskrise auf ihre Länder sowie Handlungsstrategien der lokalen Sozialen Arbeit einem breiteren Publikum zu präsentieren. Darüber hinaus wurde auch das projektbezogene Thema "Extraterritorialisation and legal access for international refugee protection" mit einem Vortrag und Diskussion aus asylrechtlicher Perspektive analysiert.
Außerdem setzte sich die Gruppe mit einem KZ-Gedenkstättenbesuch in Flossenbürg auch mit der deutschen Geschichte auseinander. Bei der Besichtigung des ehemaligen KZ-Geländes und Besuch der dazugehörigen Ausstellung lernten die Projektteams über die Entstehung des Lagers als Nazi-Machtinstrument und die Opfer, die die auf Grund ihrer unerwünschter und missachteter politischen Überzeugung, Religion und sexuellen Orientierung äußerst inhumane Behandlung und Versklavung erleiden mussten. In einem interaktiven Workshop widmete sich die Gruppe in diesem Zusammenhang auch der Frage "Wie wollen wir zusammen leben?", indem über die ideale Gesellschaft und gerechte Regeln, Werte und Normen innerhalb einer Gemeinschaft diskutiert wurden.
3. Mobilität: Jordanien
Vom 28. Juli bis 03. August 2018 hat sich die Projektgruppe für eine Woche in Jordanien getroffen. Dort wurde bei Institutionenbesuchen und Workshops mit ExpertInnen sowohl die Situation der syrischen als auch die der palästinensischen Flüchtlingsbevölkerung in den Blick genommen. Bei den Workshops "Alternative Voices on the Syrian Refugee Crisis in Jordan" an der Yarmouk University in Irbid und "Palestine and the Palestinian Refugees" an der GJU in Amman kamen Rednerinnen und Redner zu Wort, die im öffentlichen (nationalen bzw. internationalen) Diskurs andere Positionen einnehmen als der dominierende gesellschaftliche oder politische Konsens es vorschreibt. Auch die Besuche bei internationalen Organisation wie UNHCR, UNICEF oder CARE Jordan sowie Begegnungen mit VertreterInnen loker Initiativen (z.B. Jordanien Women Union und Identity Center) auf der einen Seite und Treffen mit Repräsentanten öffentlicher Institutionen (Municipality of Irbid, Syrian Refugees Affairs Directorate) auf der anderen Seite vermittelten den Teilnehmenden verschiedene, z.T. kontroverse, Sichtweisen auf die jordanische Flüchtlingssituation. Dieses Spannungsverhältnis zwischen den verschiedenen beteiligten Akteuren stand beispielhaft für die konkurrierenden gesellschafts-politischen Haltungen in Bezug auf die Flüchtlingsthematik – die Auseinandersetzung damit ist nicht nur in Jordanien, sondern auch im Libanon und in Deutschland, eine herausfordernde Aufgabe für die Soziale Arbeit im Handlungsfeld Flucht und Migration. Bei einem Besuch des Catholic Center for Studies and Media wurde auch die Verwurzelung verschiedener (nicht nur islamischer) Religionsgemeinschaften in Jordanien und die kulturelle Bedeutung dieser historischen Co-existenz für ein friedliches Zusammenleben hervorgehoben.
Abschlussmobilität: Deutschland
Die abschließenden Mobilität fand vom 22.-26. Oktober 2018 an der FHWS in Würzburg statt. Hauptprogrammpunkt war die Präsentation der Forschungsergebnisse, Schlussfolgerungen und Handlungsbedarfen für die Soziale Arbeit im Fluchtkontext. Dazu hielt die Projektgruppe der Yarmouk University am 23.10. zunächst Vorträge für alle Projektmitglieder über ihre Recherche- und Forschungsarbeiten. Am 24.10. präsentierten die Projektmitglieder der Lebanese University, German Jordanian University und FHWS ihre Forschungsergebnisse in einer öffentlichen Veranstaltung an der FHWS einem größeren Publik (die Ergebnisse der Forschungsarbeiten der Studierenden finden Sie hier). Als Gastredner informierte Assoc. Prof. Dr. Jochen Pleines zudem über die Ergebnisse seiner Fact Finding Mission zu der Situation und Förderung geflüchteter Studierender an jordanischen Universitäten.
Darüber hinaus besuchte das Projektteam die mittelfränkische Kleinstadt Rothenburg Ob der Tauber mit seiner mittelalterlichen Altstadt und erhielt eine Stadtführung in Würzburg, um mehr über die Geschichte dieser Orte zu erfahren.
Schließlich wurde das Projekt intern reflektiert und evaluiert, um Schlüsse aus den gemachten Erfahrungen für die zukünftige Zusammenarbeit ziehen zu können. Dabei wurde deutlich, dass die Mitarbeit am und der Austausch durch das Projekt für alle Beteiligten eine große Bereicherung war, auch wenn die Voraussetzungen für einen größtmöglichsten Lerneffekt für die studentischen Projektmitglieder noch besser gestaltet werden könnten. Die geteilte Erfahrungen und das gemeinsam Erreichte motivierte die Mitglieder der Projektgruppe weiterhin in Kontakt zu bleiben und die Verbindungen auch zukünftig für weitere Vorhaben zu nutzen.